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Aus dem Leben von Konrad Hufner - Müller am Brombachsee

Die Müller-Statue am Zweiseenplatz in Enderndorf erinnert an die Zeit der Mühlen im Brombachtal, als der Brombachsee noch in ferner Zukunft lag. Wie das Leben damals aussah und sich schließlich über die Jahre entwickelt hat, erzählt der Müller höchstselbst.

Die Geschichte zum Anhören

... und zum Lesen

Mit beiden Händen greife ich in den vollen Sack, forme sie zu einer Schale und hebe abertausend kleine goldgelbe Körner heraus. Trocken und warm fühlen sie sich an. Und verbreiten – ganz sanft – einen Duft von Heimat. Langsam lasse ich die Weizenkörner durch die Finger rieseln.

Ich denke an das Brot, das bald daraus gebacken wird. Wie es dampfend aus dem Holzofen geholt wird, später mit einem langen, scharfen Messer in dünne Scheiben geschnitten und mit Schmalz bestrichen wird – die Familie versammelt um den großen, groben Holztisch in der Küche, schwatzend und lachend nach einem arbeitsamen Tag in der Mühle. „Auf geht‘s“, reiße ich mich aus meinen Gedanken. Ich lasse die letzten Getreidekörner zurück in den Sack fallen, klopfe die Hände an meiner Schürze ab und mache mich an mein Tagwerk.

Bauern von Alesheim bis Spalt bringen ihr Getreide zu meiner Mühle, wo es mithilfe der Wasserkraft des Brombachs zu Mehl verarbeitet wird. Draußen klappert das Mühlrad, hier innen hört man das beständige Drehen und Mahlen der Mühlsteine. Dazwischen da und dort ein Ächzen, wenn meine Helfer und ich die schweren Säcke auf unsere Buckel heben. Die Arbeit ist anstrengend, wir haben alle Hände voll zu tun. Daneben gilt es tagtäglich die Landwirtschaft zu bestreiten und das Anwesen sowie die Waldflächen, die zur Mühle gehören, instand zu halten. Für meine fünf Kinder ein wunderbares Fleckchen Erde zum Großwerden.

Unter adeliger Herrschaft

Sobald sie alt genug sind, werden sie mir zur Hand gehen. Und ich werde ihnen alles beibringen, was ich weiß. So wie einst mein Vater mir. Nach seinem Tod habe ich die Führung der Mühle im idyllisch gelegenen Brombachtal übernommen. Zusammen mit meiner Frau Agnes, der Tochter des Bäckers von Gräfensteinberg. Unser Grundherr ist Ritter Stefan von Absberg, geboren 1398. Sein Stammschloss zählt zu den ältesten Adelssitzen Frankens! Wie alt die Mühle ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls gilt das Gewerbe an sich als eines der ältesten bis in die Neuzeit bekannten. Die erste Aufzeichnung zum Brombach stammt aus der Zeit um 1170: Bramahe, Wasser an dem Dornsträucher wachsen, ist die althochdeutsche Bezeichnung für den Bachlauf, dessen Quelle nicht weit des gleichnamigen Ortes entspringt. Ich liebe es, wenn die Zeit es Sonntags manchmal zulässt, früh am Morgen am Ufer entlang dem Sonnenaufgang entgegen zu gehen und der Natur beim Erwachen zuzusehen. Dann weiß ich, dass es die harte Arbeit wert ist. Dass ich als Müller meinen Platz gefunden habe.

Das Tal der Mühlen

Insgesamt 12 Mühlen säumen den Brombach und den hinzulaufenden Igelsbach auf einer Strecke von etwa 12 Kilometern und werden über Jahrhunderte die Wirtschaftskraft des Brombachtals bilden. Zum Teil sind es Mahlmühlen wie die meine, zum Teil Schneidmühlen, die für die Bauern aus der Region Bauholz, etwa aus Föhren, Erlen und Pappeln, zusägen. Auch mein Haus ist aus solchen Balken gefertigt: ein klassischer Fachwerkbau inmitten eines großen Hofes mit Scheune und Mühlweiher. Über die Jahre wird es immer wieder erweitert und dem Fortschritt angepasst werden. Und es wird sich immer wieder den Herausforderungen der Natur stellen müssen: Hochwasser sind leider keine Seltenheit im Brombachtal – oft mit verheerenden Folgen. Mein Urenkel wird deshalb zahlreiche Gerätschaften und Möbel neu anschaffen und das Haus sanieren müssen. Und auch andere Mühlen, wie die Neumühle oder die Langweidmühle, werden im Lauf der Jahrhunderte schwer von Überschwemmungen beschädigt. Um Gott und die Elemente um Verschonung zu bitten bzw. dafür zu danken, stiften einige Müller an die Kirche. Auf der nicht weit der Brombachmühlen entfernten Mäusleinsmühle etwa errichten Theresa und Georg 1759 nach einem Hochwasser eine kleine Kapelle. Sie wird auch noch stehen, wenn ich als Statue über den Brombachsee blicke.

Zuvor muss ich aber noch einiges regeln. Es gibt nämlich gerade Streit mit meinem Nachbarn, der zu unbilliger Zeit abzog. Also seinen Stauweiher zu unrechter Zeit ablaufen ließ. Damit das durchaus geringe Wasserangebot gerecht verteilt wird, legen wir Ablasszeiten und Stauhöhen inzwischen verbindlich fest. Ich hoffe, es wird kein Schiedsrichter nötig sein, wie kürzlich erst bei einem ähnlichen Zwist auf der Neumühle. Das letzte Wort hat im Zweifel das Königliche Landgericht Gunzenhausen, das auch das Setzen von Eichpfählen veranlasst. Für den Betroffenen eher ein notwendiges Übel, wenn auch ein wichtiger Schritt im Wasserrecht, für dessen Grundlagen einst kein geringerer als Karl der Große gesorgt hat. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wird es für die Brombach Mühlen eine wichtige Rolle spielen.

Im Wandel der Zeit

Eine unglaublich lange Zeit, in der Generationen von Mühlenbesitzern ihrer Berufung nachgehen. Viele, viele Jahre nach meinem Tod, genauer gesagt, Mitte des 17. Jahrhunderts, wird die Grundherrschaft durch die Ritter von und zu Absberg enden, nachdem der letzte Edelmann ohne männlichen Nachkommen verstirbt. Bis dahin wird der Deutsche Orden die Mühlen nach und nach aufgekauft haben, später gehen sie in Privateigentum über. Ich bin stolz darauf, dass meine Mühle über Jahrhunderte hinweg in der Familie bleiben wird. Ganz ähnlich sieht es zum Beispiel mit dem Geschlecht der Walthers auf der Hühnermühle aus. Andere Höfe hingegen werden verkauft – manchmal sogar an den nächsten Müller, wie 1900 die Griesmühle an den Birkenmüller. Die noch schönere Art der Verbindung zwischen zwei Mühlen ist aber, wie ich finde, die Hochzeit. So kommt es immer wieder vor, dass Brombachmüller untereinander heiraten. 1784 zum Beispiel der Beutelmüller Johann Stephan seine Barbara von der Scheermühle. Nach dem Tod seiner ersten Frau wird dieses neue Glück wieder Sonnenschein ins Mühlhaus bringen, davon bin ich überzeugt.

Aber nicht nur die Besitzverhältnisse, auch die Arbeitsprozesse entwickeln sich im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte kontinuierlich weiter. Wenn ich mir vorstelle, wie meine Nachfahren ihr Mehl mahlen werden, kann ich nur staunen. Wie viel leichter die Arbeit wird! So wie ich mit der Mühlenübernahme einige Neuerungen eingeführt habe, werden eben auch meine Enkel und Urenkel modernisieren und die Mühle immer wieder auf den neusten Stand der Technik bringen. Besonders beeindruckend finde ich dabei, dass wir irgendwann sogar Strom erzeugen können – auf meiner Mühle zum Beispiel Lichtstrom mittels Dynamo, ergänzend zum Mahlbetrieb. Andere Höfe, etwa die Sägmühle oder die Scheermühle, bauen irgendwann Turbinen und Generatoren ein. Und wieder andere, wie die Grafenmühle, geben die Nutzung der Wasserkraft komplett auf, weil sie mit den größeren, elektrisch betriebenen Mühlen nicht mehr konkurrieren können. Josef, der ich weiß nicht wievielte Ururenkel meiner Ururenkel, wird in den 1930ern nur noch für den Eigenbedarf schroten. Aber das ist in Ordnung. „Die Zeiten ändern sich“, hat schon mein Vater gesagt. Ein echtes Paradebeispiel für diesen Sinnspruch ist sicherlich der Wandel der Mühlstraße zwischen Gunzenhausen und Pleinfeld.

Das Ende der Mühlen

Wie sehr, soll der 16. Juli 1970 belegen. Denn an diesem Tag beschließt der Bayerische Landtag den Bau des Fränkischen Seenlands. Und mit ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Untergang der Brombacher Mühlen: Um dem regenarmen Norden Bayerns mehr Wasser zuzuführen und gleichzeitig die Hochwasser der Altmühl aufzufangen, sollen Stauseen geschaffen und das Mühlengebiet geflutet werden. Das ist natürlich für meine Nachfahren zunächst ein Schock und unvorstellbarer Schritt – aufgeregt wird Josefs Sohn Franz seine Frau anrufen und ihr erzählen, was er da eben erfahren hat, und später Abende lang mit ihr diskutieren, wie es denn nun weitergehen soll. Aber letztendlich wird es der Beginn einer neuen Ära und eine unglaubliche Chance mit vielen positiven Folgen werden. Im Kleinen, weil die Familie von Franz in ein neues Anwesen am Igelsbachsee ziehen wird, das viel weniger Arbeit macht und damit Freiraum für Neues schafft. Im Großen, weil die Überleitung von Altmühl-Donauwasser in das Regnitz-Maingebiet für einen überaus wichtigen wasserwirtschaftlichen Ausgleich sorgen wird. Zudem wird das bisher landwirtschaftlich geprägte, eher strukturschwache Gebiet touristisch erschlossen und sich in eine Erholungs- und Freizeitregion verwandeln. Nie hätte sich Franz träumen lassen, dass er einmal als Seenlandführer Touristen seine Heimat zeigen würde. Andere ehemalige Mühlenbesitzer vermieten Ferienhäuser oder verwirklichen sich in der Gastronomie. Ihr Hab und Gut siedeln sie um. Franz baut beispielsweise seinen alten Kachelofen, der schon Generationen in der Mühle behagliche Wärme gespendet hatte, wieder originalgetreu im neuen Zuhause auf. Und so überdauern die Mühlen, selbst nachdem sie, wie man im Fachjargon sagt, abgebrochen wurden. Eine bleibt sogar komplett erhalten: Die Mandlesmühle wird saniert und zum Seenland-Informationszentrum umgebaut. Die Steinsäulen der Grafenmühle finden dort einen neuen Platz und erinnern leibhaftig an das Brombacher Mühlental.

Ein Mammutprojekt

Ganze 30 Jahre dauert es, bis daraus eine Seenlandschaft wird.  Alleine die Flutung des Großen Brombachsees nimmt mehrere Jahre in Anspruch. Wenn ich das mit meinem kleinen Mühlenweiher vergleiche! Ebenso beeindruckend finde ich die Energieeffizienz: Durch ein kleines Kraftwerk im Auslauf des Brombachsees werden bis zu 630 kW nur durch Wasserkraft gewonnen. Ein Vielfaches aller 12 Mühlen zusammen! Beständig wie ein Mühlrad dreht sich das Rad der Zeit eben weiter. Und eröffnet immer wieder ungeahnte Perspektiven. Denn auch wenn es nicht immer einfache und goldene Zeiten waren, am Ende überwiegt doch der Glanz. Oder wer hätte gedacht, dass ich einmal als Statue den zweitgrößten Stausee Deutschlands zieren würde? Doch nun seht selbst, wie sich die Region gewandelt hat. Und genießt Euren Aufenthalt in meiner Heimat!

Wissen to go

  • Seit dem Mittelalter säumten 12 Mühlen die beiden Bäche Brombach und Igelsbach auf einer Strecke von etwa 12 km (etwas weiter entfernt liegt zudem nach wie vor die Mäusleinsmühle).
  • Mühlenarten im Brombachtal:
    • Mahlmühlen stellten Mehl her
    • Schneidmühlen sägten Bauholz zu
  • Über Jahrhunderte bildeten die Mühlen die Wirtschaftskraft der Region und passten sich immer wieder dem Wandel und den Herausforderungen der Zeit an.
  • 1970 beschloss der Bayerische Landtag den Bau des Fränkischen Seenlands, um zu niedrige Wasserpegel im Norden und gleichzeitig Überschwemmungen im mittleren Altmühltal zu verhindern. Zudem sollte die Region touristisch erschlossen werden.
  • 11 Mühlen mussten weichen, die Mandlesmühle blieb als Seenland-Informationszentrum erhalten.
  • 1986 wurden Altmühlsee, Kleiner Brombachsee und Igelsbachsee eingeweiht.
  • 2000 wurde der Große Brombachsee eingeweiht.
  • Der Brombachsee ist der zweitgrößte Stausee Deutschlands: Igelsbachsee, Kleiner und Großer Brombachsee sind durch zwei Vorsperren voneinander abgetrennt und fassen zusammen über 150 Millionen Kubikmeter Wasser mit einer Oberfläche von 12,1 Millionen Quadratmetern.
  • Rund 150 Millionen Kubikmeter Donau- und Altmühlwasser gelangen jedes Jahr über das Fränkische Seenland in Regnitz und Main.
  • Rund eine Million Gäste besuchen jährlich das Fränkische Seenland.
  • Biotope für Pflanzen und Tiere entstanden im und am Brombachsee und tragen einen wichtigen Teil zum Umweltschutz bei.
  • Teile der Mühlen sind heute noch im Seeland-Informationszentrum sowie in verschiedenen Privathäusern erhalten.
  • Auf dem Mühlenwanderweg rund um Absberg kann man die Geschichte der Mühlen lebendig werden lassen: Zu jeder Mühle gibt es eine Informationstafel mit interessanten Erzählungen sowie einen Mühlenkompass, der den damaligen Standort anzeigt.

    Wir bedanken uns bei TEVAUHA für die Statue als auch bei den Weißenburger Werkstätten für die Unterstützung!